In Taian leben wir Dozenten, Standortleiter und Tutoren in einer Wohnsiedlung auf dem Gelände der Universität. Von den Unigebäuden trennt uns nur eine schmale Straße, so dass wir keinen weiten Weg zu den Hörsälen und zum Büro haben. In unserer Wohnsiedlung wohnen ausschließlich Universitätsangestellte und pensionierte Universitätsmitarbeiter. Was mich bei jedem Aufenthalt seht fasziniert, ist die Art und Weise, wie die Menschen hier zusammen leben. Es gibt einen zentralen Platz, auf dem sich vor allem die alten Leute treffen: zum Tanzen, zum Boule spielen, zum Turnen an den überall aufgestellten Geräten oder zum Spielen mit dem Enkel. Sie haben dort immer Gesellschaft, man sieht ganz selten alte Menschen alleine.
Auch haben viele Alte noch eine Aufgabe, zum Beispiel halten einige die Anlage sauber. Andere sind für das Wegfahren des Mülls mit einer Art Leiterwagen zuständig. Innerhalb unserer Anlage gibt es fast alles, was man so täglich braucht. Kleine Lädchen, Essensstände, einen Masseur, einen Friseur, ein paar einfache Restaurants. Den Friseur habe ich übrigens gestern einmal ausprobiert: ich musste mir den Nacken ausrasieren lassen.
Die freundliche Friseurin, die immer lacht, wusste gleich, was ich haben wollte. Ich musste eine Viertelstunde warten, bis der Kunde vor mir fertig war, dann war ich dran. Und wurde innerhalb weniger Minuten sehr gut bedient. Die Rechnung machte: 72 Cent!! Kaum zu glauben. Jetzt weiß ich auch, warum sie so stark frequentiert ist, ihr Laden hat immer auf und sie hat auch immer Kundschaft, die sie auf ihrem einzigen Friseursessel auf ihre sympathische Art bedient.
Zurück zum Leben in der Siedlung. Mir imponiert dieses Leben in der Gemeinschaft, bei der keiner allein gelassen wird. Wenn ich es vergleiche mit dem Leben vieler alter Menschen in Deutschland, sehe ich klare Vorteile. Bei uns in Deutschland gibt es so viele alte Leute, die alleine in ihren Häusern oder Wohnungen leben. Oder Menschen verbringen ihre letzte Lebensphase in einem Altersheim, wo sie keine Aufgaben mehr haben und nicht gefordert sind. Da imponiert mit das chinesische Modell vor meiner Haustüre. Jeden Tag, wenn ich an unseren Wohnblocks vorbei zur Universität laufe, denke ich darüber nach.