Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Artikel über China im Wirtschafts- oder Politikteil der Tageszeitungen hierzulande eher selten. Vielleicht gab es einmal die Woche einen Artikel des China Korrespondenten oder eine Meldung der Agenturen. Heute vergeht kein Tag, an dem nicht über China berichtet wird. In letzter Zeit häufen sich die Meldungen über chinesische Unternehmen, die sich an Firmen in Deutschland oder in europäischen Nachbarländern beteiligen. Je nachdem welche Einstellung man zu China hat, könnte man den Eindruck haben, China übernähme hiesige Firmen im großen Stil. Der Wirtschaftsjournalist Roland Tichy fragt Anfang März rhetorisch in der Bild am Sonntag „Müssen deutsche Arbeitnehmer bald chinesisch lernen? Chinesische Konzerne sind scharf auf deutsche Mittelständler“.
Schauen wir näher hin: Gerade hat sich Shanghai Electrics bei dem Maschinenbauer und Apple-Zulieferer Manz in Reutlingen eingekauft mit 30% eingekauft. Kurz zuvor hatte die chinesische Holding Beijing Enterprises bekanntgegeben, dass sie den niedersächsischen Müllverbrennungsspezialisten EEW für 1,44 Mrd. E übernimmt – die bisher größte chinesische Direktinvestition in ein deutsches Unternehmen (Wirtschaftswoche vom 28.02.2016). Der Spezialmaschinenbauer Krauss-Maffei wurde im Januar von ChemChina, dem größten Chemiekonzern Chinas, für 925 Millionen Euro gekauft. ChemChina wiederum sorgte Anfang Februar für eine kleine Sensation: Für rund 43 Milliarden Dollar will der staatliche chinesische Konzern den Schweizer Saatgut- und Pflanzenschutz-Konzern Syngenta übernehmen. Und bereits im vergangenen Jahr hatten die Chinesen den italienischen Reifen-Hersteller Pirelli für 7,1 Milliarden Euro gekauft.
Ausverkauf also für die hiesige Wirtschaft? Roland Tichy erkennt in der Übernahmewelle eine Flucht. Er sieht die europäischen Unternehmen wegen des schwachen Euros als billige Beute. Die Akquisitionen folgten einem strategischen Plan der chinesischen Zentralregierung zur Modernisierung einer Wirtschaft, die von der Billig-Fabrik weg will und hin zu höherwertigen Produkten. Neben dem industriestrategischen Plan sieht er aber auch reiche Chinesen, die mit ihren Milliarde nach Europa und in die USA fliehen, vor einer zuhause immer unsicheren Wirtschaftslage und vor dem Zugriff des Staates.
Interessant ist es zu beobachten, wie sich die neuen chinesischen Investoren in den übernommenen Unternehmen verhalten. Anfängliche Befürchtungen aus der Zeit, in der mit der Übernahme des deutschen Betonpumpenherstellers Putzmeister durch den chinesischen Baumaschinenhersteller Sany die Übernahmewelle begann, haben sich nicht erfüllt. Eine Studie von PWC aus 2015 kommt zu einer überraschenden Erkenntnis: Viele deutsche Unternehmen können auch nach der Übernahme ihre Unabhängigkeit in erstaunlich hohem Maße bewahren. Die meisten chinesischen Investoren halten sich weitgehend aus der Unternehmensführung heraus und bestehen nicht auf einer Restrukturierung. Bei der Durchführung des Kaufs und der späteren Führung zeigt die Studie jedoch deutliche Schwächen auf Seiten der chinesischen Investoren: Sie haben oft nur wenig Erfahrung im internationalen Management ihrer Investitionen. Dazu kommen sprachliche und kulturelle Unterschiede. Entscheidend für die Zusammenarbeit sei deshalb „Unterschiede anzuerkennen, mit der Andersartigkeit des Partners wertfrei umzugehen und damit Barrieren zu überwinden“, so Jens-Peter Otto von PWC.
Da kommt ein Angebot der deutsch-chinesischen Wirtschaftsvereinigung, das vor ein paar Wochen in meinem Postfach landete, sicherlich gerade recht: in der neu aufgelegten Veranstaltungsreihe „Managementtrainings für Chinesen in Deutschland“ lädt die DCW ein zum Seminar „Interkulturelles Personalmanagement für chinesische Unternehmen in Deutschland“.
- Interkulturelles Training der DCW für chinesische Manager in Deutschland