Die erste Woche Vorlesungen ist wie im Flug vergangen und schon ist das Wochenende da. Auf die zwei Tage habe ich mich besonders gefreut, denn meine Freundin Kefan kommt aus Shanghai und wir wollen das Wochenende gemeinsam verbringen. Wir haben uns im letzten Jahr hier in Wuhan kennengelernt und verstehen uns sehr gut. Sie hat vier Jahre in Deutschland gelebt und studiert, daher ist sie sehr offen und liebt vieles aus Deutschland. Gleichzeitig spricht sie sehr gut Englisch, unsere Kommunikation ist also sehr einfach und intensiv.
Wir treffen uns am Samstagmorgen und zunächst ist das City Centre unser Ziel. Wir bummeln in der exklusivsten Shopping Mall Wuhans, schauen bei Yves St. Laurent und Max Mara nach der neuen Herbstmode und nach Sonnenbrillen. Wie so oft wundere ich mich, wie wenige Kunden es in diesen edlen Shops gibt und wie diese dann überleben können. Keiner kann mir diese Frage so richtig beantworten. Nachdem wir vieles angeschaut und nur ein klein wenig eingekauft haben (Facial Masks!) essen wir mit ihren Eltern zu Mittag in einem Restaurant mit kantonesischer Küche. Nach einer Woche Mensa ist das tatsächlich ein besonderes Highlight für mich. Natürlich ist nicht nur das Essen toll, sondern auch die Unterhaltung. Ich lerne die Eltern zum ersten Mal kennen.
Am Nachmittag erkunden wir die Hankou Concession, das war mein Wunsch. Ich hatte in einem Besuchsprogramm einer deutsch-chinesischen Unternehmerreise gelesen, dass Wuhan eine deutsche Konzession hatte. Das wusste ich gar nicht, letztes Jahr hatte ich nur wenig Zeit im Stadtzentrum verbracht. Es ist super spannend, denn Wuhan besaß Ende des 19 Jahrhunderts fünf Konzessionen: die britische, die deutsche, die französische, die russische und die japanische. Die deutsche Konzession bestand von 1895 bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs, es gab ein deutsches Konsulat, eine deutsch-asiatische Bank usw.
Viele dieser alten Gebäude im Kolonialstil sind gut erhalten, können zwar nicht besichtigt werden, aber eine Tafel am Gebäude weist sie als historische Baudenkmäler aus und man kann sie fotografieren. Das ganze Viertel erinnert mich ein wenig an die French Concession in Shanghai, nur dass diese besser erschlossen ist. Wir erkunden das Viertel mit dem Auto und zu Fuß. Danach sind wir ziemlich müde und ich checke ins Hilton Hotel am Fluss ein. für eine Nacht habe ich mein Apartment an der Uni gegen ein komfortables Hotelzimmer eingetauscht, das war die wunderbare Idee meiner Freundin, die weiß wie gerne ich schwimme. Außerdem ist es auch sehr praktisch, so können wir am nächsten Morgen gleich in aller Frühe zum East Lake starten, das ist nämlich unser Plan.
Den Abend verbringen wir nach dem Schwimmen in einer Kneipe am Yangtze River. Am Wasser gefällt es mir in Wuhan am besten. Der Fluss ist sehr breit und mit seinem vielen Schiffsverkehr und den großen Auto- und Eisenbahnbrücken erinnert er mich ein bisschen an den Rhein in Köln. Den liebe ich auch, ich bin einfach gerne am Wasser, bin ein typischer Krebs.
Sonntag in aller Frühe brechen wir auf zum East Lake, dem See im Osten Wuhans. Ein großerTeil der 12 Mio. Einwohner Stadt besteht aus Wasserfläche, aus Seen, dem Yangtze und seinen Nebenflüssen. Der Ostsee hat eine Uferlinie von rund 100 Kilometer, man kann also nicht so einfach mal rundherum laufen. Das wollen wir auch gar nicht, unser Plan ist nämlich: Yoga am See! Kefan und ich sind beide große Anhängerinnen von Yoga und haben unsere Yogamatten dabei. Die Eltern fahren uns zum großen Parkplatz, wir suchen uns eine geeignete Stelle am Ufer des Sees und rollen unsere Matten aus. Es tut gut, sich in der noch kühlen Morgentemperatur zu bewegen, im Schatten der Bäume, mit dem Blick aufs Wasser.
Wir versuchen uns zu konzentrieren, obwohl die Passanten, die vorbeigehen, unsere Übungen wohl sehr lustig finden. Sicher sind wir auf vielen Fotos von Besuchern zu sehen an diesem Morgen. Aufgeschreckt hat uns ganz plötzlich ein Angler, der einem Fisch hinterher sprang. Ja, genau, er warf zuerst mit einem großen Holzbalken nach dem Fisch, sprang dann ganz schnell ins Wasser und griff nach dem Fisch. Auf dem Bild seht ihr das Prachtexemplar, das nicht zum Verkauf gedacht ist. Der Angler kam noch zweimal vorbei, jedes Mal hatte er einen Fisch dabei, aber die weiteren waren nicht mehr so groß wie der erste. Es gibt auch viele Radfahrer am Ostsee, auf verschiedenen Routen kann man mit Leihrädern Teile des Sees umrunden. Insgesamt eine sehr schöne Atmosphäre, die einen den Lärm und die Hektik der Innenstadt vergessen lassen kann.
Ich habe also am Samstag und Sonntag wunderbare Seiten dieser erstaunlichen Stadt kennengelernt. Am Sonntagnachmittag bringen mich Kefans Eltern wieder zum Campus zurück, wir sind alle hochzufrieden mit den zwei Tagen und ein bisschen müde von den vielen Unternehmungen.
Liebe Brigitte,
ich bin begeisert über Deinen, lebendigen und persönlichen, interessanten Bericht – mit den vielen, wunderschönen Fotos.
Ich habe gar keine Vorstellung von China, und schon gar nicht von diesem China.
Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht – ich nehme an, dann auch einmal über Deine Vorlesungen, die Studierenden – das Bildungssystem?
Alles Gute und viel Freude weiterhin!
Von der Schwabenmetrople über viele Länder hinweg ins weite China
Herzliche Grüße von Margit
Louis Leitz Stiftung
Liebe Margit, vielen Dank, freut mich sehr! Wenn du die vorherigen Kommentare liest, wirst du auch welche finden über die Vorlesungen und die Studierenden. Aber ich werde in den nächsten Tagen auch wieder darüber berichten. Viele Grüße aus dem immer noch heißen Wuhan! Brigitte