Gestern hatten wir ein tolles Erlebnis, das uns die chinesische Hilfsbereitschaft, kombiniert mit Flexibilität und Ideenreichtum einmal wieder verdeutlicht hat.
Drei der Tutorinnen und ich hatten den Plan, im ca. 20 Autominuten entfernten Sheraton Hotel schwimmen zu gehen. Dort gibt es ein sehr attraktives Spa mit einem großen Schwimmbecken. Das Schwimmbad in unserer Sporthalle auf dem Campus hat nämlich sehr kaltes Wasser und die Duschräume sind nicht so einladend.
Wir trafen uns also um 17.40 Uhr, nach „Dienstende“ der Tutorinnen am Südtor des Campus. Just in diesem Moment fing es an zu regnen. Regen und Feierabendverkehr ist in China immer eine verhängnisvolle Kombination: die Folge ist nämlich, dass oft kein Taxi zu bekommen ist. Wir beschlossen zunächst einmal, uns ein Stück von der chaotischen Kreuzung direkt am Südtor zu entffernen, da dort sowieso kein Taxi halten könnte und liefen ein Stück weiter die breite Straße entlang. Es fuhren immer wieder Taxis an uns vorbei – jedoch alle mit Fahrgästen belegt.
Nachdem wir eine Weile gestanden hatten, beschlossen wir, zur nächsten Kreuzung zu laufen, weil dort noch mehr Autos fahren und die Wahrscheinlichkeit eines leeren Taxis steigt. Nach weiteren 15 Minuten war klar: diese Hoffnung hatte getäuscht. Wir standen immer noch und es regnete immer noch.
Mir fiel eine Idee ein: ich war an den Nachmittagen der vergangenen Woche häufiger in einem Café um die Ecke gewesen und wurde dort immer von einem sehr netten jungen Mann zuvorkommend bedient, der sogar ein paar Worte Englisch sprach. Wir könnten dorthin gehen und ihn bitten, ein Taxi für uns zu rufen.
Meine Kolleginnen waren skeptisch, ob man überhaupt aus einem Lokal heraus ein Taxi rufen kann, aber angesichts des zunehmenden Regens und des ungemütlichen Wartens beschlossen wir, es zu versuchen. Das „Man Shing Guo Coffee“ lag nur drei Minuten entfernt und ich ging schnurstracks auf den jungen Mann am Tresen zu, der mich schon erkannte. Ich fragte ihn auf Englisch, ob er uns ein Taxi bestellen könnte. Er verstand mich nicht. Zum Glück kann eine der Tutorinnen recht gut Chinesisch und sagte ihm auf Chinesisch, zu welcher Adresse wir hinfahren wollten mit einem Taxi. Er schaute uns vier Frauen an, fragte noch zweimal nach, wohin wir genau wollten, und beriet sich dann ganz kurz mit seinen zwei jungen Kollegen. Dann sagte er zu meiner Kollegin: „kein Problem, er fährt euch hin!“ Wir schauten uns an und waren perplex: er wollte uns hinfahren, durch den dichten Feierabendverkehr, ganz umsonst??
Das war doch wirklich ein tolles Angebot und sozusagen unsere Rettung: keine drei Minuten später saßen wir in einem japanischen Kleinwagen, der draußen auf dem Parkplatz stand, und wurden von einem Kollegen meines jungen Mannes in sehr umsichtiger Art und Weise in 20 Minuten durch den Stau Tai‘ans manövriert. Das war wunderbar und noch viel besser als Taxi fahren, nicht nur weil es nichts gekostet hat. Es war ein wahrer Freundschaftsdienst. Wir beschlossen, in der kommenden Woche alle in das Café zu gehen, damit wir uns für diesen Service ein bisschen revanchieren können. Schließlich gibt es dort nicht nur guten Cappuccino, sondern auch Waffeln mit Eis und Sahne sowie kleine Toasts und Snacks.
Nachzutragen ist noch, dass wir ein wunderbares Schwimmen im Sheraton Hotel hatten. Das Becken ist groß genug, um richtige Bahnen zu schwimmen, die Wassertemperatur ist angenehm, die Duschen und Umkleideräume schön sauber und es gibt sogar ein Dampfbad. Echter Luxus für uns, die wir während der Woche doch recht einfach in unseren Apartments und auf dem Campus leben. Die Rückfahrt nach Hause war dann kein Problem – nach kurzer Zeit hatten wir schon ein Taxi. Das war ein richtig angenehmer Abend und hat uns die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Chinesen einmal wieder vor Augen geführt.