Bei all meinen bisherigen Lehraufenthalten an chinesischen Universitäten gab es auf dem Campus irgendwo eine Yoga Klasse. In Taiyuan haben mich die Tutorinnen mitgenommen, einige unserer Studentinnen waren mit von der Partie und konnten mich gegebenenfalls korrigieren, wenn ich eine Bewegung nicht richtig ausgeführt habe. In Taian gab es täglich Yoga, außer Samstagabends und es war meine tägliche Wohlfühlstunde, wenn es mal mit den Studenten nicht so gut gelaufen war in der Vorlesung. Hier in Wuhan wurden meine Fragen an den ersten Tagen nach Yoga verneint: Meiyou; gibt’s hier nicht. Als ich aber selbst zum Gym in der großen Sporthalle ging und mir den Gymnastikraum ansah, lagen da – genau: Yogamatten! Siehe da, es gibt hier einmal in der Woche, nämlich am Freitagabend eine Yogastunde. Dies war dann meine Belohnung nach der ersten Unterrichtswoche.
Die Yogalehrerin ist sehr jung, heißt mit englischem Namen Lina und kommt aus der Inneren Mongolei. Sie macht ähnliche Übungen wie die, die ich auch aus Deutschland von meiner Yogalehrerin kenne, allerdings sehr anstrengend. Sie zählt immer von 10 zurück und man muss die Positionen lange halten. Nach der Stunde unterhalten wir uns noch ein bisschen, sie versteht und spricht ganz gut Englisch. Sie hat mich ein paarmal korrigiert, das finde ich sehr gut. Hat aber auch ein Gespür dafür, wann ich eine Übung nicht machen kann oder früher beenden muss, immerhin sind die Mädels um mich herum rund 30 Jahre jünger und schon etwas beweglicher. Wir machen noch ein Foto, ich sage, dass ich nächste Woche wieder komme und sie meint, wir könnten uns ja auch einmal zum Englisch reden treffen.
Am Montag frägt sie mich per WeChat, ob ich Lust hätte, in eine andere Yogaklasse in der Nähe mitzukommen. Klar habe ich das! Und so lerne ich auch ihre beste Freundin und einen privaten Fitnessclub kennen, ein paar Ecken vom Campus entfernt. Nach der Stunde holt ein junger Mann die beiden ab: Harry. Er spricht ziemlich gut Englisch, wir laufen alle zur Uni zurück, es regnet in Strömen und ich lade alle noch auf ein Getränk in das Arts School Cafe ein. Harry studiert Animated Art und lernt intensiv Englisch, er will nächstes Jahr nach Australien. Lina hingegen muss bald wieder in ihre Heimat in die Innere Mongolei zurück. Und wir sind jetzt alle in WeChat verbunden und können uns jederzeit verabreden.
Das passiert schon ein paar Tage später: eigentlich hatte ich vor, am Freitagabend nach der ersten Korrekturschicht meiner Klausur wieder ins Yoga zu gehen. Aber einen Tag vorher erfahre ich, dass Lina am Freitag Geburtstag hat und deshalb keine Yogastunde macht. Stattdessen lädt sie mich kurzerhand gemeinsam mit Harry und ihren Freundinnen zur Geburtstagsfeier ein. Und so verbringe ich nach einem anstrengenden Nachmittag konzentrierten Korrigierens zwei überaus lustige Stunden bei Hotpot mit Fisch und Gemüse, Birthday Cake, Bier, Singen und etlichen Fotos mit Lina und Co.
Lina ist 22 geworden, gleichzeitig feiert ihr Yogaclub ein-jähriges Bestehen. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht sie zurück in die Mongolei, um im Geschäft ihres Vaters, eines Touristikunternehmers, mitzuarbeiten und im nächsten Jahr zu heiraten. Eine Einladung zur Hochzeit habe ich jedenfalls schon …