Meine zwei Wochen Vorlesung sind wie im Flug vergangen. Gestern hatten wir die letzte Vorlesung, wir haben den Stoff wiederholt und die Studenten haben den Evaluierungsfragebogen online auf ihren Smartphones ausgefüllt. Dies läuft zum ersten Mal mit einem neuen, verfeinerten Verfahren. Es passt gut zu unserem Stoff, denn wir haben ausführlich über Feedback gesprochen in unserem Fach „Soft Skills“. Es ist immer gut und notwendig, den Studenten Beispiele zu nennen, sie haben keine Arbeitserfahrung, kennen kaum Unternehmen, lesen auch keine Wirtschaftsnachrichten. Das hat mich diese Woche sehr frustriert, dass einfachste Dinge aus der BWL oder aus dem chinesischen Wirtschaftsleben nicht bekannt sind. Ich habe vehement dafür plädiert, dass Studenten der Betriebswirtschaft sich auch für Wirtschaftsnachrichten interessieren müssen. Ich hoffe, dass meine Appelle etwas bewirkt haben.
Ich bin gespannt, wie die Evaluierung ausfällt, denn diesmal war ich strenger als sonst mit den Studenten. Ich habe oft einzelne Studenten angesprochen in den hinteren Reihen, die bitte schön überhaupt nicht angesprochen werden wollen und häufig auch mit etwas ganz anderem beschäftigt sind (meinst mit Videos auf ihrem Smartphone). Mir ist seit langem bewusst, dass man als Lehrkraft seine Erwartungen an einen interaktiven Unterricht in China sehr herunterschrauben muss. Auf der anderen Seite kommen unsere Studenten in einem Jahr nach Deutschland und ich habe den Anspruch, sie gerade in meinem Fach vorzubereiten auf Lern- und Kommunikationsformen, mit denen sie in Deutschland konfrontiert werden. Das fällt bei dem einen oder anderen auf fruchtbaren Boden, die allermeisten verfluchen wahrscheinlich die Dozentin, die schon wieder vor ihnen steht, statt wie die Lehrer in der Mittelschule am Pult vorne zu stehen und vorzutragen.
Ganz zum Abschluss der letzten Stunde gebe ich noch ein paar Empfehlungen mit auf den Weg. Jede Gruppe ist anders und gerade diese Gruppe in diesem Jahr fordert mich heraus, einige mahnende Worte zu sprechen. Mir ist nicht klar, wie einige der Jungs in den hinteren Reihen die Klausur und das weitere Studium schaffen wollen. Ich ermutige zu mehr Englisch Praktizieren, denn die passiven Sprachkenntnisse sind nicht schlecht, es fehlt aber die Bereitschaft zu sprechen. Zuguterletzt spreche ich eine Einladung nach Stuttgart aus, denn mit dem Mercedes-Museum und dem Porsche-Museum verfügt meine Heimatstadt über Top Attraktionen für chinesische Besucher. Und die Studenten sind in der Regel reisefreudig, bei mir waren schon einige ehemalige zu Besuch in den letzten Jahren.
Und heute also: die Klausur. Dafür geht man in einen besonders großen Raum, in dem ein breiter Sitzabstand gewährleistet ist, so dass es nicht zum Abschreiben kommt. Alle Rucksäcke werden vorne im Saal abgelegt, die Handys in dafür vorgesehene Taschen gesteckt. Die Aufsicht muss auch sonst sehr wachsam sein. Ich kenne es aus den anderen Standorten so, dass die Phantasie zur Aufbewahrung von Spickzetteln grenzenlos ist und dass ein Toilettengang manchmal auch ungewöhnlich lange dauert.
Die Klausur dauert zwei Stunden, nach einer Stunde gibt die erste Studentin ab. Insgesamt gibt es zwei Täuschungsversuche, was dann in einer ungültigen Klausur resultiert, es bleibt der Zweitversuch. Wir sind heute zu fünft in der Aufsicht, also kaum Chancen für die Studenten zu tricksen oder abzuschreiben. Nach der Abgabe aller kann ich mit zwei großen Stapeln in mein Apartment ziehen. Dann bin ich also gespannt auf die Leistungen der Studenten.
Und, wie ist Klausur ausgefallen? Sind die Ansprüche vergleichbar zu unseren Universitäten? Ist es gut für den Ruf, wenn viele durchfallen? So spannend alles! Liebe Grüße aus Stuttgart!
Liebe Edith, die Klausur ist – erwartungsgemäß – gemischt ausgefallen. Der Schnitt liegt bei 3,1 und 26% haben nicht bestanden und müssen in den Zweitversuch. Das Bild sieht in unseren Partnerunis in China stets ähnlich aus. Es gibt ein paar sehr gute Studenten, das sind die, die auch im Unterricht mitziehen, vorne sitzen und aufmerksam sind. Dann kommen ein paar gute und ein relativ dünnes Mittelfeld und dann kommt eine große Gruppe (leider die meisten Jungs) die schon im Unterricht immer hinten saßen und oft nicht bei der Sache waren. Durch Auswendig lernen versuchen diese Studenten, dennoch die Klausur zu bestehen. Es sollten nicht zu viele durchfallen, wobei wir Dozenten da schon frei sind. Es würde vielleicht Fragen geben, ob das Niveau angemessen ist. Man muss natürlich auch immer bedenken, dass alles in einer für die Studenten fremden Sprache gelehrt und abgefragt wird, allein das ist schon für viele eine große Herausforderung. Die Sprachkenntnisse sind wie immer ein Schlüssel und sie sind sehr unterschiedlich.